gesichtet #23: Der Hunde-Singlefrauen-Trick

Von Michel Schultheiss

Bekanntlich sind Tiere und überdurchschnittlich attraktive Menschen stets taugliche Blickfänger. Eine Kombination aus beidem ist noch besser. Das hat auch die Urheberin oder der Urheber dieses Plakates begriffen. Zwar trifft man in jeder Stadt unzählige rührende Vermisst-Anzeigen, auf welchen die herzallerliebsten Vierbeiner abgebildet sind. Doch dieses Plakat ist nicht wie jedes andere. Unter dem Hundebild prangt auch das Konterfei einer jungen Frau. Seit Wochen taucht sie an verschiedenen Ecken der Stadt auf: «Ich, jung und alleinstehend, habe meinen Hund verloren. Poppy (Hört auch auf den Namen Banjo)». So viele Angaben über das Alter und den Zivilstand einer Hundehalterin lassen aufhorchen. Doch dann erfahren wir noch mehr über Poppys Frauchen: «Ruft mich an, wenn Ihr ihn gesehen habt, und selbst wenn Ihr ihn nicht gesehen habt, denn ich fühle mich selbst ein wenig verloren…».

Eine neue Form der Partnersuche angesichts der übersättigten und unübersichtlich gewordenen Online-Dating-Angebote? (Foto: smi)

Eine neue Form der Partnersuche angesichts der übersättigten und unübersichtlich gewordenen Online-Dating-Angebote? (Foto: smi)

Gesichtet wurde das Plakat, welches mit abreissbaren Telefonnummern und dem handgeschriebenen Namen «Linda» versehen ist, unter anderem beim Durchgang vom Rümelinsplatz zum Schmiedenhof. Diese unscheinbare schmale Passage ist einer der wenigen Orte der Stadt, wo frei und ungestraft plakatiert werden kann. Im Gegensatz zu anderen beliebten Wildplakatier-Fassaden sind dort die Hinweise auf das kulturelle Leben willkommen. Obschon der Durchgang eher versteckt ist, hat er eine gewisse Bedeutung: Die beliebte Hauptstelle der Stadtbibliothek, im Volksmund oft einfach «GGG» genannt – auch wenn die Mitarbeitenden darauf hinweisen, dass diese Bezeichnung nicht ganz korrekt ist – befindet sich gleich dort. Daher lassen sich an dieser strategisch gut positionierten und beachteten Wand bisweilen auch sonderbare Trouvaillen ausmachen – so etwa diese Vermisst-Anzeige, welche übrigens an anderen Orten auch als Flyer aufliegt.

Was hat es aber mit der rätselhaften Suchenden auf sich? Und wofür muss das Hündchen Poppy herhalten? Handelt es sich um einen Schrei nach Aufmerksamkeit? Eine neue Form der Partnersuche angesichts der übersättigten und unübersichtlich gewordenen Online-Dating-Angebote? Ein Ausdruck der zunehmenden Individualisierung und Unverbindlichkeit der Single-Generation? Eine verzweifelte Seele auf der Suche nach sich selbst? Oder doch nur ein billiger Scherz mit einem hübschen Frauen-Porträt aus dem Internet? Ein Racheakt gegen eine Ex-Freundin, den Chef, die Lehrerin oder einen Rivalen? Ein medienpsychologisches Experiment? Ein Bestandteil eines gewagten Kunstprojekts? Oder steckt eine wirkliche Überzeugung dahinter, so wie bei den Monarchie-Ausrufungen des verhinderten Königs Dom Manuel III von Portugal? Oder sind doch eher fiese Betrüger am Werk, welche den ahnungslosen, von Mitleid oder Hoffnungen gepackten Anrufer auf eine falsche Fährte locken und abzocken wollen? Gibt es also nebst dem Enkel-Trick auch noch den Single-Hundehalterinnen-Trick? Die Liste an Möglichkeiten endlos. Jeder kann sich also diejenige auswählen, die am ehesten seinen Vorstellungen entspricht. Oder halt auf eigene Gefahr anrufen.

8 Gedanken zu “gesichtet #23: Der Hunde-Singlefrauen-Trick

  1. heideggerli

    Hab das neulich auch gesehen, als Flugblatt an der Uni. Ziemlich schräg. Ob da wohl schon jemand angerufen hat?

  2. gsz

    Ich hege den Verdacht, dass sich unser Autor Ende Monat über seine Handyrechnung ärgern könnte.

    Aber investigieren musste man das schon, Heideggerli.

    Unbedingt.

  3. Michi

    Zeitnah Fortsetzung: Wir haben angerufen…..
    Das wäre doch den Versuch und die Fortsetzung wert.

  4. gsz

    Sprengt leider das Redaktionsbudget.

    Ach, wenn man wenigstens Postkarten schicken könnte:(

  5. gsz

    Das wär dann aber schon ziemlich auf den Hund gekommen, oder nicht, Suma?

    Wobei Hundeliebhaber ja bekanntlich schnell Kontakt knüpfen, wenn Wauwaus im Spiel sind:)

  6. Pete Sailor

    Ich tippe mal auf professionelle Hundewurstereien. Da Pferde nicht mehr so einfach aufzutreiben sind, werden nun andere Hundebesitzer mit dieser fiesen Masche angelockt. Sie melden sich aus Mitleid bei der jungen Dame, nehmen ihren eigenen Hund mit, und schwupps wird dieser auch verlasagniert.


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